Islam-Kritik, die keine ist, und bloß so gerade eben zur Affirmation des Bestehenden taugt
Michael Friedman diskutiert mit Pax Europa-Vorsitzenden Udo Ulfkotte und dem Imam der Frankfurter Nuur-Moschee Hadayatullah Hübsch.
Islam-Hasser können sich an diesem Video laben. Dummerweise bringt die Ulfkotte-Friedman-Querfront keine ernstzunehmende Kritik hervor. Wie Friedman und Ulkotte gegen den politischen Islam agieren, das zeigt sich beispielhaft am Thema der Polygamie: Was Hübsch dort vordergründig vertritt, ist nicht mehr als eine harmlose Aufweichung der Zweierpartnerschaft, wenn er sowohl Männern als auch Frauen gestatten will, mehrere PartnerInnen zu heiraten. Das ist faktisch nichts anderes als die alte PDS-/Linkspartei-Forderung zur Entmoralisierung der Ehe hin zu einem profanen bürgerlichen Vertrag, der beliebigen anderen Personen Rechte gewährt und ihnen gegenüber Pflichten artikuliert.
Dass die islamische Vielehe wenig mit sexueller Emanzipation und Überwindung der heterosexuellen Zweierbeziehung zu tun hat, dürfte klar sein. Dass Hübsch eher repressiv tolerant denkt, als tatsächlich Geschlechterverhältnisse und sexualmoralische Herrschaftsformen zu kritisieren, ebenso. Das gälte ihm vorzuwerfen. Aber Friedman und Ulfkotte haben keine Argumente gegen diese aus Taktik liberal neuformulierte Polygamie, schon gar keine in emanzipatorischer Absicht.
Stumpf wiederholt Friedman immer dasselbe autoritäre Totschlagargument: Polygamie sei ja verboten, nämlich weil ... Spannung ... weil sie verboten sei! Warum? Weil dies hier nun eben so ist! Vulgo: Recht ist, was Gesetz ist. Und, jetzt kommts, weil es verboten sei, stünde Hübsch nicht auf dem Boden der deutschen Rechtsordnung, sei nicht konform zur Verfassung. Seine Äußerungen seien quasi illegal, und »der Islam« allein schon deshalb nicht mit »unserer Ordnung« zu vereinbaren.
Nicht wie und mit welcher Absicht Hübsch das positive Recht kritisiert, sondern dass er es überhaupt kritisiert, wird zum Argument gegen ihn gewendet. Schließlich spiegeln die Gesetze die gewachsene Ordnung »unserer Kultur« wieder.
Mit dieser Argumentationsform setzt sich Friedman leider nicht vom Kulturkämpfer Ulfkotte ab, der seinerseits das Faktische nur mit dessen Dasein begründen kann, also dauernd in naturalistischen Fehlschlüssen redet:
Friedman: Warum sollen denn die Muslime unsere Vorstellung übernehmen müssen?
Ulfkotte: (Pause) Warum sollen Muslime unsere Vorstellung übernehmen müssen? Weil wir hier einen christlich-jüdisch geprägten, griechisch-römisch geprägten Kulturform [sic] haben, an den sich diejenigen, die hier herkommen, anzupassen haben.
Hübsch: Ich bin nicht hier hergekommen, ich lebe hier.
Ulfkotte will eigentlich sagen, »unsere« »westliche Kultur« sei überlegen. Das kann er sich als Sprechakt in dieser Situation nicht leisten, damit würde er sich selbst demaskieren und sich in die offensichtlich chauvinistische Ecke stellen.
Schade, denn diese These, die hinter Ulfkottes Denken eigentlich steht, die er aber nicht klar zu formulieren imstande ist, wäre doch zu diskutieren. Stattdessen muss er die relativistische rhetorische Strategie auffahren, die selbst jedem Neonazi geläufig ist: Andere »Kulturen« seien gleichwertig, aber doch dermaßen andersartig und inkompatibel, dass eine Trennung oder totale Assimilation vonnöten sei. »Wir« sind so, wie »wir« nun einmal sind und deshalb - was für eine Logik - habe sich der »andere« anzupassen, wenn er mit »uns« zu tun haben will. Über Inhalte ist man schon längst hinaus, wenn sich alles bloß um dieses Schema dreht.
04.11.2007