Warum es etwas anderes ist, wenn linke Medien die Linkspartei kritisieren
Cliff Cosmos weist in zustimmender Weise auf eine Lafontaine-Polemik von Mathias Döpfner, einst Welt-Chefredakteur und nun Springer-Vorstandsvorsitzender, auf debatte.welt.de hin. Auch die Jungle-World-Autoren Ivo Bozic und Stefan Wirner publizieren mittlerweile dort Kritiken linker Politik und insbesondere der Linkspartei. Bozic wolle damit, wie er jüngst in einem Interview äußerte, ein breiteres Publikum erreichen. Nun mag man sich fragen, was für ein Publikum dort erreicht wird und was bei diesem Publikum solche Kritik erreichen kann, aber das soll jetzt nicht Thema sein. Die Frage ist, wie mit Kritik an links und insbesondere der Linkspartei umzugehen ist, wenn sie nicht wie bei Wirner und Bozic, von linker bzw. linksradikaler Seite kommt.
Inhaltlich wie formal scheinen die Aussagen Mathias Döpfners von linken Journalisten wie den genannten abgeschrieben. Sowohl die aktuellen Ausgaben der Konkret als auch die Jungle World befassen sich mit der Linkspartei bzw. Oskar Lafontaine. Deren scharfe Auseinandersetzung mit der Linkspartei hat »Tradition«, die Analyse von Positionen und Akteuren ist vielfältig und differenziert - z.B. sind die Vorwürfe Reformismus sowie das allgemeine »Mitmachen« bei der Politik im Zuge eines falschen Staatsverständnis. Auch der Vorwurf der Nähe zu Neonazis durch nationalistische und fremdenfeindliche Argumentation wird aus linksradikaler Sicht vorgebracht - und nur vor diesem Hintergrund ist er schlüssig.
Solche Kritik ist als wirklich unversöhnliche Ideologiekritik möglich, wenn sie sich jenseits der Fetische der Gesellschaft alleine der menschlichen Emanzipation verpflichtet ist. Wenn dieser Bezugsrahmen gegeben ist, kann eine Auseinandersetzung in emanzipatorische Absicht geführt werden. Wenn jedoch ein Rechter die Rhetorik »linker« Kritikpunkte übernimmt und den Gestus und das Vokabular linksradikaler Polemik imitiert, so ist man voll auf den rhetorischen Schachzug hineingefallen, wenn man das für Kritik hält. Soll Kritik an der Linkspartei emanzipatorisch sein, kann sie sich nicht im bürgerlichen Rahmen bewegen. Dann ist es bloßes Politikmachen, aber notwendigerweise keine materialistische Kritik.
Man muss sich nur anschauen, was mit solcher Kritik beabsichtigt wird. Cui bono? Döpfner drescht nicht auf Lafontaine ein, weil jener Kommunist ist, noch weil dieser Kommunist ist, sondern er will einfach Realpolitik machen. Abgesehen von den vielen geborgten Phrasen ist ganz klar, was Döpfner mit seinem Artikel beabsichtigt: Seinen eigenen Standpunkt und den Status Quo als besonders fortschrittlich, weltoffen, modern und vernünftig verkaufen.
Ohne Lafontaine in Schutz irgendwie zu nehmen, sind die Vorwürfe aus dem Mund von Döpfner absurd, weil gleichsam umwendbar: Nationalistisch? - Ist deutsche Politik etwa antinational? Protektionistisch? - Wodurch bitte ist die Politik von BRD und EU sonst geprägt? Fremdenfeindlich? - Ist die deutsche Gesellschaft etwa nicht völkisch-rassistisch? »Sie benutzen Politik als Projektion für Neid und Minderwertigkeitskomplexe.« - Ja, die Linkspartei macht halt Politik; diese ist nunmal vom, zumal deutschen, Ressentiment bestimmt.
Döpfner kritisiert ferner die Staatsfixierung, natürlich nicht aus der Sicht der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, sondern aus »neoliberaler«, fast schon anarchokapitalistischer Sicht. Idealerweise soll die unsichtbare Hand des Marktes die menschlichen Beziehungen regeln, wenn sich dann auch noch die »Leistungseliten« »patriotisch« »einmischen«, dann sei die individuelle Freiheit verwirklicht. Na dann ist ja alles in Butter...
Dass bloß bürgerliche Ideologie aus Döpfner spricht, zeigt ich auch an solchen Sätzen: Im Trend lägen, genau anders herum, als die Linkspartei behaupte, »Freiheit« statt »Gleichheit«, »Eigenverantwortung« statt »Umverteilung« sowie »in der Außenpolitik Interessen- und Werteverteidigung statt Appeasement«. Besonders auf letzteres fahren anti-islamische Linke natürlich ab, wenn jemand, gleich mit welchem Impetus, gegen »Appeasement« wettert - dabei geht es Döpfner hier bloß darum, Außenpolitik als notwendigerweise nationalistische und interessensgeleitete abzufeiern sowie Deutschland als »Friedensmacht« und Global Player zu etablieren.
Wo linke Kulturkämpfer sentimental die Verbreitung der bürgerlichen Emanzipation hineinlesen, will Döpfner zur Hegemonie seiner »Werte« - wir kennen sie, vor allem die christlichen, die unbedingt in die EU-Verfassung sollen - neue deutsche Kriege führen. Wer glaubt, daran könnte emanzipative Kritik anschließen, hat sich schon lange davon verabschiedet, dass das postfaschistische Deutschland jegliches Recht verwirkt hat, andere zu »zivilisieren«. Anschlussfähig an postantideutsche Politikberater, die die Bundeswehr im Einsatz gegen die »antisemitische Internationale« sehen wollen, ist Döpfner damit auf jeden Fall.
Döpfner benutzt seinerseits, wenn er von »Freiheit« faselt (was nur bedeuten kann: als Warensubjekte, als doppelt »freie« Arbeiter, als Vertragsfreiheit/-zwang usw.), genauso das fetischisierte Bewusstsein, wie wenn sich Lafontaine antisemitischer und völkischer Ressentiments bedient, um gegen »Finanzkapital«, »Konzerne« und »Fremdarbeiter« zu wettern. Da kann ein antideutscher Kapitalismus-Apologet einwenden, die Logik des entgrenzenden Kapitals schütze zumindest vor völkischem Denken und Nationalbolschewismus - nur verteidigt Döpfner den Kapitalismus nicht, weil er darin als Kommunist noch am ehesten überwintern könne.
Sind Westerwelles Kritikpunkte an Lafontaine zutreffend? Oder hat Oskar in manchen Punkten doch nicht so Unrecht? Die Fragen sind extrem müßig, weil aus diesen Sichten keine brauchbare Gesellschaftskritik herauskommen kann, sondern bloß Ideologie am laufenden Band produziert wird. Wenn das geläuterte Deutschland der Linkspartei Populismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit vorwirft, so sagt das mehr über eben jenes Deutschland aus, weniger darüber, was aus emanzipatorischer Sicht an der Linkspartei unbedingt zu kritisieren ist. Diese spielt in einem solchen Fall bloß die austauschbare Rolle, dass sich das bessere Deutschland von Nationalismus und Fremdenhass freisprechen und andere mit Vokabeln wie »reaktionär« belegen kann. Diese Rolle nehmen sonst Neonazis ein, deshalb ist die totalitarismustheoretische Gleichsetzung von Linkspartei und NPD nur folgerichtig.
Inhaltlich wie formal scheinen die Aussagen Mathias Döpfners von linken Journalisten wie den genannten abgeschrieben. Sowohl die aktuellen Ausgaben der Konkret als auch die Jungle World befassen sich mit der Linkspartei bzw. Oskar Lafontaine. Deren scharfe Auseinandersetzung mit der Linkspartei hat »Tradition«, die Analyse von Positionen und Akteuren ist vielfältig und differenziert - z.B. sind die Vorwürfe Reformismus sowie das allgemeine »Mitmachen« bei der Politik im Zuge eines falschen Staatsverständnis. Auch der Vorwurf der Nähe zu Neonazis durch nationalistische und fremdenfeindliche Argumentation wird aus linksradikaler Sicht vorgebracht - und nur vor diesem Hintergrund ist er schlüssig.
Solche Kritik ist als wirklich unversöhnliche Ideologiekritik möglich, wenn sie sich jenseits der Fetische der Gesellschaft alleine der menschlichen Emanzipation verpflichtet ist. Wenn dieser Bezugsrahmen gegeben ist, kann eine Auseinandersetzung in emanzipatorische Absicht geführt werden. Wenn jedoch ein Rechter die Rhetorik »linker« Kritikpunkte übernimmt und den Gestus und das Vokabular linksradikaler Polemik imitiert, so ist man voll auf den rhetorischen Schachzug hineingefallen, wenn man das für Kritik hält. Soll Kritik an der Linkspartei emanzipatorisch sein, kann sie sich nicht im bürgerlichen Rahmen bewegen. Dann ist es bloßes Politikmachen, aber notwendigerweise keine materialistische Kritik.
Man muss sich nur anschauen, was mit solcher Kritik beabsichtigt wird. Cui bono? Döpfner drescht nicht auf Lafontaine ein, weil jener Kommunist ist, noch weil dieser Kommunist ist, sondern er will einfach Realpolitik machen. Abgesehen von den vielen geborgten Phrasen ist ganz klar, was Döpfner mit seinem Artikel beabsichtigt: Seinen eigenen Standpunkt und den Status Quo als besonders fortschrittlich, weltoffen, modern und vernünftig verkaufen.
Ohne Lafontaine in Schutz irgendwie zu nehmen, sind die Vorwürfe aus dem Mund von Döpfner absurd, weil gleichsam umwendbar: Nationalistisch? - Ist deutsche Politik etwa antinational? Protektionistisch? - Wodurch bitte ist die Politik von BRD und EU sonst geprägt? Fremdenfeindlich? - Ist die deutsche Gesellschaft etwa nicht völkisch-rassistisch? »Sie benutzen Politik als Projektion für Neid und Minderwertigkeitskomplexe.« - Ja, die Linkspartei macht halt Politik; diese ist nunmal vom, zumal deutschen, Ressentiment bestimmt.
Döpfner kritisiert ferner die Staatsfixierung, natürlich nicht aus der Sicht der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie, sondern aus »neoliberaler«, fast schon anarchokapitalistischer Sicht. Idealerweise soll die unsichtbare Hand des Marktes die menschlichen Beziehungen regeln, wenn sich dann auch noch die »Leistungseliten« »patriotisch« »einmischen«, dann sei die individuelle Freiheit verwirklicht. Na dann ist ja alles in Butter...
Dass bloß bürgerliche Ideologie aus Döpfner spricht, zeigt ich auch an solchen Sätzen: Im Trend lägen, genau anders herum, als die Linkspartei behaupte, »Freiheit« statt »Gleichheit«, »Eigenverantwortung« statt »Umverteilung« sowie »in der Außenpolitik Interessen- und Werteverteidigung statt Appeasement«. Besonders auf letzteres fahren anti-islamische Linke natürlich ab, wenn jemand, gleich mit welchem Impetus, gegen »Appeasement« wettert - dabei geht es Döpfner hier bloß darum, Außenpolitik als notwendigerweise nationalistische und interessensgeleitete abzufeiern sowie Deutschland als »Friedensmacht« und Global Player zu etablieren.
Wo linke Kulturkämpfer sentimental die Verbreitung der bürgerlichen Emanzipation hineinlesen, will Döpfner zur Hegemonie seiner »Werte« - wir kennen sie, vor allem die christlichen, die unbedingt in die EU-Verfassung sollen - neue deutsche Kriege führen. Wer glaubt, daran könnte emanzipative Kritik anschließen, hat sich schon lange davon verabschiedet, dass das postfaschistische Deutschland jegliches Recht verwirkt hat, andere zu »zivilisieren«. Anschlussfähig an postantideutsche Politikberater, die die Bundeswehr im Einsatz gegen die »antisemitische Internationale« sehen wollen, ist Döpfner damit auf jeden Fall.
Döpfner benutzt seinerseits, wenn er von »Freiheit« faselt (was nur bedeuten kann: als Warensubjekte, als doppelt »freie« Arbeiter, als Vertragsfreiheit/-zwang usw.), genauso das fetischisierte Bewusstsein, wie wenn sich Lafontaine antisemitischer und völkischer Ressentiments bedient, um gegen »Finanzkapital«, »Konzerne« und »Fremdarbeiter« zu wettern. Da kann ein antideutscher Kapitalismus-Apologet einwenden, die Logik des entgrenzenden Kapitals schütze zumindest vor völkischem Denken und Nationalbolschewismus - nur verteidigt Döpfner den Kapitalismus nicht, weil er darin als Kommunist noch am ehesten überwintern könne.
Sind Westerwelles Kritikpunkte an Lafontaine zutreffend? Oder hat Oskar in manchen Punkten doch nicht so Unrecht? Die Fragen sind extrem müßig, weil aus diesen Sichten keine brauchbare Gesellschaftskritik herauskommen kann, sondern bloß Ideologie am laufenden Band produziert wird. Wenn das geläuterte Deutschland der Linkspartei Populismus, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit vorwirft, so sagt das mehr über eben jenes Deutschland aus, weniger darüber, was aus emanzipatorischer Sicht an der Linkspartei unbedingt zu kritisieren ist. Diese spielt in einem solchen Fall bloß die austauschbare Rolle, dass sich das bessere Deutschland von Nationalismus und Fremdenhass freisprechen und andere mit Vokabeln wie »reaktionär« belegen kann. Diese Rolle nehmen sonst Neonazis ein, deshalb ist die totalitarismustheoretische Gleichsetzung von Linkspartei und NPD nur folgerichtig.
11.07.2007