Karikaturen ihrer selbst

Die deutschen Linken, zumal die mannigfachen Ausläufer und Zerfallsprodukte der antideutschen Bewegung, sind Karikaturen ihrer selbst. Sie sperren sich damit einer satirischen Bearbeitung. Schon beim Original wartet man ständig auf die Pointe, auf die Auflösung, dass alles nur als Scherz gemeint war. So etwa bei der jüngsten »kommunistischen« Faschingstruppe, dem »Kommunistisches Bündnis Pro Guttenberg«. Ob das nun Ironie sei, ist gleichgültig, denn es wird ein Kanon von Aussagen zusammengetragen, die im vollen Ernst in einer schmalspur-postantideutschen Szene vertreten werden.

Dass es bei den Anfeindungen gegen Guttenberg um die Verteidigung der »ehrlichen deutschen Arbeit« und des bürgerliche Leistungsmodells gegen »Leistungserschleicher« geht, liegt auf der Hand. Die tausenden protestierenden Doktoranden sind immer mehr Anpassungsdruck ausgesetzt. Sie stellen der strukturellen Gewalt ihre Körper und Köpfe zur Verfügung. Ihr Hass trifft die, die die stupiden Regeln zu umgehen versuchen.

Zur Verlogenheit der bürgerlichen Bildungsideologie hat Volker Weiss in der Jungle World alles Nötige gesagt:

»[Die] Eigentumsordnung [der bürgerlichen Gesellschaft] wird nicht von Leistung, sondern zumindest ab einer gewissen Gehaltsstufe von der Aneignung fremder Arbeit geprägt, ihre soziale Gliederung ist lange nicht so durchlässig, wie sie zu sein vorgibt. [Die Figur Guttenberg] erweist … sich als Gefüge von ererbtem Privileg und Diebstahl. Geleistet wird in den unteren Etagen, bezahlt auch. … Anders als durch diese Form der Aneignung fremder Arbeit entsteht ›Elite‹ auch nicht.«

Guttenberg wird hier durch und durch als Kapitalist beschrieben, auch in dem Moment, wo er seine Privilegien durch das Plagiat erlangt und sichert. Absurderweise wollen die besagten »Kommunisten« in dieser Aneignung nach bester Logik des Kapitalismus einen nichtkapitalistischen Akt sehen, sie sehen darin gar einen subversiven Akt der Selbstermächtigung:

»Daher ist das Verhalten zu Guttenbergs als bewusste Verweigerung zu verstehen, die bestehenden Eigentumsverhältnissen zu akzeptieren und nicht zu hinterfragen«.

Die Texte, aus denen Guttenberg abschrieb, sind keine klassischen Produktionsmittel, die man sich nur anzueignen bräuchte, um nach den Bedürfnissen zu produzieren. Natürlich haben sie die Warenform. Sie sind »geistige Schöpfungen« eines »Urhebers«, der sie fortan als »seine Ideen« vermarktet. Schreiber und Verlage besitzen die exklusiven Verfielfältigungsrechte, Kopien sind kostenpflichtig. Doch Guttenberg hat die Texte auch nur öffentlichen Bibliotheken entnommen, wo sie relativ einfach auch Nichtakademikern zugänglich sind.

Copyleft, das freie Vervielfältigen von Texten nach den gegenwärtigen technischen Möglichkeiten, wäre zu begrüßen. Doch ist Guttenberg kein Raubdrucker bzw. Schwarzkopierer, der Texte entgegen der Eigentumsrechte vervielfältigt, sondern ein schlichter Plagiator, der es zum eigenen Vorteil tut – eben indem er sich fremde Arbeit aneignet. Das ist das Gegenteil der Aufhebung des Wissenschaftsbetrieb, welche dem Plagiieren jegliche Grundlage entzöge. Das Plagiat kann Eigentumsverhältnisse nicht infrage stellen, denn sein Zweck ist es, ein weiteres Eigentumsverhältnis zu behaupten: Das des Plagiators zum plagiierten Text. Ansonsten ergibt das Plagiat keinen Sinn und es könnte auch eine offene Textcollage sein, bei der Quellen aus rein praktischen Gründen gekennzeichnet wären.

»Der Aufschrei derer, die in zu Guttenbergs Arbeit einen Diebstahl sehen, ist der Aufschrei derer, die in ihrer egoistischen Zurückgezogenheit jegliche Erkenntnis alleine für sich behalten wollen«

Das entbehrt jeglichen Verständnisses des Wissenschaftsbetriebs. Selbstverständlich werden »Ideen« als Eigentum eines »Schöpfers«, des »Autors« betrachtet. Das steht nicht per se der Verbreitung von Erkenntnis entgegen, sondern ermöglicht erst ihre kapitalistische Zirkulation und Verwertung, während sie andere Formen ausschließt. Die Wissenschaftler, die Guttenberg anfeindeten, leben selbst von den Meriten ihrer Publikationen und arbeiten sich damit im Wissenschaftsbetrieb hoch. Diese Akademiker sind nicht zurückgezogen und behalten ihre Erkenntnisse für sich, sondern publizieren sie. »Harte, ehrliche Arbeit« eben. Es handelt hier sich nicht um die Patentierung geheimer technischer Verfahren, deren kommerzielle Vermarktung eine Firma für sich beansprucht, sondern um banale Bewertungen der Rechtswissenschaft, die man in Zeitungen, Fachzeitschriften und Büchern nachlesen kann.

»Zu Guttenbergs Kritiker können es schier nicht ertragen, dass jemand in ihrer Mitte aufsteigt, ohne seinen Teil zur Gesellschaft bzw. zum gesunden Volkskörper beizutragen, ganz im Sinne der ekelhaften Verwertungslogik ›Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen‹.«

Von Horkheimer stammt eine Kritik am Begriff des Ressentiments, mit dem der »pathologische Neid« (KBPG) der besitzlosen Massen gegen die Herrschenden, die »Glücklichen« (Horkheimer) verurteilt wird. Insofern kann der Zweck des Begriffes sein, Herrschaft zu legitimieren und zu festigen. Wie Horkheimer sagt, will die »KBPG« nur diejenigen als Zeugen gelten lassen, die das Zuchthaus, dass die Gesellschaft weitesgehend sei, nicht verspüren.

»So wird es niemand müde auch heute noch die hässliche Parole ›Krieg den Palästen!‹ zu schreien, anstatt Wohlstand bzw. Paläste für alle zu fordern.«

Es bedarf schon einiges an historischem Unverstand, die Büchnersche Parole aus dem »Hessischen Landboten« als schon immer hässlich zu bezeichnen. Ist »Proletarier aller Länder vereinigt Euch« aus dem Kommunistischen Manifest ebenfalls hässlich? Jene Parole hat zwei Seiten, sie benennt zwei gesellschaftliche Rollen und macht diese an den typischen Behausungen ihrer Personifikationen fest. Die Paläste dieser Gesellschaft sind das Ergebnis von Sklaverei, des Frondienstes und schließlich der kapitalistischen Aneignung fremder Arbeit. Die heutigen Paläste sind immer noch Symbole der Herrschaft und Unterjochung. Die Parole verweist heutzutage noch auf das kapitalistischen Produktionsverhältnis. Wer sie bewusst falsch versteht und meint, diese Parole fordere, dass alle Menschen in ärmlichen Hütten leben, kann nur ein bewusstloser »Glücklicher« sein, der von der Existenz der Klassengesellschaft nichts wissen will.

»Uns als Kommunisten ist jedoch klar, dass es schon immer eben diese bessergestellten Menschen waren, die, im Gegensatz zum sich verwertenden Proletariat, durch ihre finanzielle Absicherung die Zeit fanden sich mit den Verhältnissen intensiv zu beschäftigen und damit auch die theoretische Vorarbeit für gesellschaftlichen Fortschritt leisteten.«

So richtig es ist, dass es der Freiheit von ökonomischen Zwängen bedarf, damit kritische Theorie florieren kann, so waren doch sämtliche Theoretiker, die die »KBPG« wohl im Sinn haben mag, weder per se bessergestellt noch frei vom Verwertungszwang. Marx beispielsweise lebte ärmlich, verdingte sich als Journalist und war auf Engels’ Zuwendungen angewiesen. Adorno und Brecht etwa mussten sich im Exil ebenfalls verwerten und sich der positiven Wissenschaft bzw. der Kulturindustrie verkaufen. Adorno und Horkheimer mussten Stiftungen um Gelder für ihre wissenschaftlichen Vorhaben bitten. Marcuse und andere leisteten Lohnarbeit für den militärischen Nachrichtendienst. Das Frankfurter Institut für Sozialforschung lebte mehr schlecht als recht von industriellen Förderern. Und so weiter.

Hier von »finanziell abgesicherten« Theoretikern zu schwärmen, die sich vermeintlich schöngeistig dem »gesellschaftlichen Fortschritt« widmen können und sich dadurch vom Pöbel abgrenzen können, verschleiert die tatsächlichen Verhältnisse. Es war im Übrigen Marx, der sein Leben der Bewusstseinsbildung der Arbeiterklasse gewidmet hat. Ihn in dieser Zusammenarbeit als »Vorarbeiter« zu bezeichnen, kann nur den Sinn haben die Proletarier, um deren Emanzipation er besorgt war, abzuwerten. Auch heute gibt es keine »Bessergestellten«, die sich der Kritik der Verhältnisse widmen können. Kritische Theoretiker sind von universitären Posten oder Hartz 4 abhängig. Linke Publikationen leben von Selbstausbeutung, kümmerlichen Autorenhonoraren und ständig droht der finanzielle Ruin. Und so weiter.

Letztlich kommen die Pro-Guttenberg-Kommunisten zu einer »Kritik« an Guttenberg. Diese ist nun vollends ein schlechter Witz. Über die Abscheulichkeiten in seiner Funktion als Kapital- und Kriegsminister liest man nichts.

»Natürlich kann man zu Guttenberg kritisieren, zum Beispiel, dass er mit einer extremistischen Partei wie der FDP eine Koalition einging.«

Solch wirrer Müll verschließt sich jedem Kommentar. Es ist nicht möglich, diese Karikatur weiter zu karikieren.

05.03.2011