Gut, dass wir verglichen haben

(Ad: Adorno/Horkheimer: Mensch und Tier. Nr. 2)

Sexistisch finde ich auf jeden Fall, Frauen mit Tieren zu vergleichen. Mit demselben schlechten Argument (Opfer) könnte man Juden und Tiere vergleichen, und genau darauf läuft die ganze Tierrechtler-Propaganda ja auch regelmäßig hinaus. Ich sag nur: Hühner-KZ. Gesellschaftliches Unrecht und die Diskriminierung von Menschen werden relativiert.

Während Antispeziesisten darüber debattieren, was Vergleiche zu erklären vermögen, wie »das Andenken der Opfer im Stande ihres Opferseins adäquat [bewahrt]« werden kann (Susann Witt-Stahl), weiß Ivo Bozic: Vergleiche gehen gar nicht. Das ist schlicht dumm, weil es jegliche Analyse verunmöglicht.

Denken wir nur einmal an einen Text von Adorno/Horkheimer. Sie werfen unter dem Stichwort »Tier und Mensch« alles mögliche in einen Topf: Kritik der idealistischen Philosophie, der positivistischen Naturwissenschaft, der Naturbeherrschung; den Versuch einer »Tierpsychologie«; die Analyse des Sexismus, der patriarchalen Herrschaft, der »Schönheit«, der Sexualität und auch des Antisemitismus und des Nationalsozialismus. Am Ende werden die gesellschaftlichen Diskursbedingungen einer Kritik der Naturbeherrschung und der Zwang zum affirmativen Mitmachen, sozusagen zum Beliefern des Produktionsapparates geschildert.

Was hat das alles mit den Tieren und dem Mensch-Tier-Verhältnis zu tun? Für Adorno und Horkheimer sehr viel, nämlich »beherrschte«, »verstümmelte«, »gebrochene« Natur.

Nach Bozics Diktum kann nur Sexismus herauskommen, wenn Frauen mit Tieren »verglichen« werden. Adorno/Horkheimer rekonstruieren zumindest die Genese von »Tier« und »Frau« analog zueinander. Sie kennzeichnen das patriarchale Denken als eines, das Frauen als »Verkörperung der biologischen Funktion« bzw. »Bild der Natur«, d.h. der zu beherrschenden, zu unterdrückenden Natur sieht und als eines, das »mimetische Entwicklungsstufen«, die eine »Sorge ums vernunftlose Tier« überhaupt zulassen, in einem historischen Prozess niedergerungen hat. Im bürgerlichen Zeitalter findet diese Unterjochung in der tugendhaften, sittsamen und schönen Frau ihren Ausdruck. Maskiert u.a. als »Schönheit« kann die Natur wieder zum Ausdruck kommen, aber die männliche Ehrerbietung ist doch nur das zynische Herabblicken des Herrschenden auf die Ohnmächtigen aus Angst vor der Ohnmacht, d.h. der Naturverfallenheit.

Diese Analogsetzung (Opfer der Naturbeherrschung, weil besiegte Natur) ist für Bozic ein »schlechtes Argument«. But wait, there's even more. Das Konzept bzw. Praxis des »Tieres« als beherrschte Natur wird auch analog zur nationalsozialistischen Entmenschlichung insbesondere der Juden gesetzt: »Das prononcierte Menschengesicht« etwa in Judenkarikaturen, »das beschämend an die eigne Herkunft aus Natur und die Verfallenheit an sie erinnert, fordert unwiderstehlich nur noch zum qualifizierten Totschlag auf.« Die Barmherzigkeit gegen Tiere ist dabei nur ein Moment der Herrschaft, deren anderes Moment der besagte Totschlag von Menschen ist. Beide werden als »Opfer« derselben »blutigen Herrschaft« bezeichnet, die »Kreatur nur als Material« sieht.

Schon wieder so ein Vergleich der Opfer: Tiere und für den NS »unwertes« Leben, in erster Linie Juden. Beide werden gestreichelt bzw. ermordet, weil sie Natur »ohne eigenes Wesen« symbolisieren. Dabei ist es nicht die Aussage, dass Menschen der Natur entstammen, die Adorno und Horkheimer kritisieren, sondern der zivilisatorische Hass gegenüber dieser Gemeinsamkeit, der »im Willen zur Verfolgung« kulminiert.

Die Frage ist nun, was Bozic an diesem »Vergleich« von Tieren, Frauen und Juden zu kritisieren hätte. Ist es Adornos/Horkheimers Absicht, Unrecht zu relativieren, wenn sie über das Tertium Comparationis der Naturbeherrschung einen Zusammenhang zwischen Sexismus, Antisemitismus und der Rolle der Tiere herausarbeiten? Ich denke nicht, im Gegenteil: Diese »Vergleich« sind äußerst erkenntnisfördernd im Hinblick auf eine umfassenden Kritik der Naturbeherrschung, damit zum Verständnis der bürgerlichen Herrschaft, des Patriarchats sowie des Antisemitismus. Und das führt mich wieder zu: »Es ist die Frage zu klären, wer den Vergleich führt, aus welcher Perspektive, in welcher Funktion«.

26.09.2008