Identität, braucht man das?

Amüsante Diskussion bei den fucking queers:

S: Oder ist die sexuelle Orientierung eines Menschen nach deinem Denkmuster etwa beliebig, so dass die Betreffenden ja ruhig weiterhin Frauen heiraten ... können und sich dann eben bei Männern das Stückchen homosexueller Identität holen, das die Gesellschaft zulässt, ohne damit ihre Menschen verachtenden, da aggressiv HETERONORNMATIVEN Strukturen in Frage stellen zu müssen. ... [D]ie Anerkennung der Gleichwertigkeit unterschiedlicher sexueller Orientierungen, und ergo: Identitäten, ganz bestimmt nicht aus.

L: Sexuelle Orientierung ist ein Begriff, der wenig mit der realen Organisation von Begehren zu tun hat. Die Welt teilt sich nicht auf in Heteros und Homos, sondern sie wird so aufgeteilt ...

Ich weiß nicht, was du dir bei Männern holst. Aber Identität ist wirklich das letzte, was ich dort suche. ...

Du bist es doch, der heteronormative Verhältnisse nicht in Frage stellt, sondern diese, indem er sich als Abweichung davon konstruiert, immer wieder bestätigt und reproduziert

S: Sich seiner ANDEREN sexuellen Orientierung, die sich eben nicht nur auf sexuelle Akte im Verborgenen beschränkt und daher wesentlicher Bestandteil der persönlichen IDENTITÄT jedes Menschen ist, bewusst zu sein, ist die Grundvoraussetzung dafür, die beschriebenen gesellschaftlichen Zustände jemals effektiv verändern zu können. Sexuelle Identität ist entgegen deiner Behauptung kein Konstrukt, sondern eine der menschlichen Vielfalt inhärente, unabänderliche Tatsache!

L: du [gehst] der für mich entscheidenden Frage systematisch aus dem Weg gehst, nämlich dem Streit darüber, ob die Deutung von gleigeschlechtlicher Liebe und Lust nicht als Handlung und Gefühl, sondern als “Persönlichkeitsmerkmal” eine moderne Konstruktion der Macht ist — wie ich mit aller Vehemenz behaupte —, oder eine “unabänderliche Tatsache”, wie du ohne jede Debatte dekretierst. ...

Man braucht sich auch nicht als “Homosexueller” konstruieren und marginalisieren zu lassen, um so etwas wie Selbstbewusstsein zu entwickeln. Im Gegenteil: diese Konstruktion hat das Selbstbewusstsein vieler Menschen dauerhaft gebrochen und sie zum Schweigen gebracht.

S: Mit deinen Ausführungen erweckst du den Eindruck, Homosexualität sei für dich nicht mehr als beispielsweise die Frage, ob du heute ein rotes oder ein blaues T-Shirt anziehst.

C: Meiner Meinung nach wäre genau das ein erstrebenswerter Zustand. Wenn man sich als Mann einfach von heute auf Morgen ohne sich groß Gedanken darüber machen müsste sagen kann “heut hab ich mal Sex mit einem Mann”, vollkommen selbstverständlich, als würde man sich überlegen welches T-Shirt man anzieht. Ohne sich vorher als homosexuell, bisexuell oder sonst was definieren zu müssen. Gerade dieses Schubladendenken hält doch viele davon ab, gleichgeschlechtliche sexuelle Erfahrungen auszuprobieren.

01.05.2008