RAF endlich widerspruchsfrei erklärt

uli krug erklärt uns die raf. ohne den vortrag gehört zu haben, seine thesen klingen äußerst virtuos:

Tatsächlich erwies sich die RAF in jeder Hinsicht – in ihren Erklärungen wie in ihren Taten – als bewaffneter Arm eines Geschichtsrevisionismus, der das deutsche Volk gerne aus dem Würgegriff von zionistischen Interessen und US-Kulturimperialismus befreien wollte. Dass der nationale Aufbruch auf kein Wohlwollen bei den zeitgenössischen Deutschen stieß, lag an zweierlei: an deren Autoritarismus, der Todesurteile nicht von der RAF, sondern von der BRD (die sich diesem Wunsch ihres Staatsvolkes bekanntlich verweigerte) vollstreckt sehen wollte, und an deren Antikommunismus, der sich am ML-Duktus störte, den die RAF benutzte.

man lernt: geschichtsrevisionistisch und postfaschistisch wird die brd bezeichnet. jetzt muss man, will man die raf dazuzählen und zudem als deren speerspitze entlarven, erklären, warum die raf zwar identisch mit der brd war, sich dann aber doch nicht das ruder übernehmen konnte.

das scheint schwierig herzuleiten: wenn die raf doch noch nationalistischer, antisemitischer und antiamerikanistischer war als die damalige brd, warum hat das deutsche volk der raf nicht gleichermaßen zugejubelt, wie es hitler zugejubelt hat?

schwer aufzulösen, also erklärt man kurzerhand mit dem autoritarismus, den man den deutschen ohnehin bescheinigt, gerade dasjenige: dass sie zu träge sind, für die neue deutschnationale erweckungsbewegung zu applaudieren. aber warum eigentlich? weil die raf keine partei war wie die nsdap?

und was bedeutet: die brd verweigerte sich? die brd war, so wird implizit behauptet, gerade im moment der repressionen gegen die raf der verteidiger der »zivilisation« gegen die »barbarei«, die von der raf ausging. die brd war, so diese logik, antifaschist gegen den »nationaler aufbruch«, diesmal der der raf. und der staat setzt sich gegen sein barbarisches volk durch, indem er ihm widersteht. toll, dieser staat, oder? dafür sollten wir der brd auch heute noch dankbar sein!

als wäre das nicht spekulativ genug, lautet das zweite »argument«: deutsche seien ja sowieso gegen das, was sie als »kommunistisch« ausmachen, und deshalb »störte« »der ml-duktus« der raf einfach. inhaltlich war die raf also voll auf der ebene des deutschen mobs, aber bloß der duktus war einfach der falsche. mist, hätte ihnen das einer mal früher gesagt, dann wäre deutschland unter führung der raf wieder »erwacht«.

wie man sieht, eine tolle erklärung. sie basiert offenbar auf der affirmativen und autoritaristischen annahme des antideutschen credos, der staat sei »blinder« garant des warentausches und damit der bürgerlichen freiheitsrechte der warenbesitzer. diese ordnung verteidige er demnach zurecht gegen die »gesellschaft«, gegen seine subjekte, die bürger:

Antideutsch denken und handeln heißt demzufolge, die politischen Vermittlungs- und Repräsentationsformen in Gesellschaft und Staat, die auf der Trennung von freien und gleichen Warenbesitzern einerseits und am Allgemeinwohl orientierten Staatsbürgern andererseits beruht, gegen die zu verteidigen, die diese Teilung zugunsten eines autoritären Volksstaates überwinden wollen.

der größte antifaschist ist somit dann doch der brd-staat, indem er angriffe seines staatsvolkes auf die kapitalistische ordnung, auf seine kernkompetenz, den stabilen rahmen für warentausch und bürgerliche subjektivität bereitzustellen, repressiv abwehrt. der faschismus wird der bürgerlichen gesellschaft eben als äußerlich gedacht. wie hieß es einmal: danke, deutschland, dass du uns vom »raf-faschismus« gerettet hast!

derart mehr darf man sicher im buch Rote Armee Fiktion nachlesen - der name scheint mitunter programm zu sein. dabei sind die vorab veröffentlichten beiträge gefühltes gas und
charaktermasken abschminken gar nicht so dumm (wenngleich sie - joachim bruhn halt - dogmatisch vorgehen), soweit ich mich an die damalige lektüre erinnere; zumindest wären sie einer genaueren prüfung zu unterziehen.

14.01.2008